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Der Schönheit Verführung

- 1 -

Er kniete oft am blauen Weiher,
wenn rosenrot die Sonne sank.
Dort schlug er zart den Klang der Leier,
an dem sich Mensch und Tier betrank.

Der weißen Schwäne Zug erstarrte
und ihre Hälse standen schlank.
Ihr schwerer Flügelschlag verharrte
verstummend auf der Wellenbank.

Am dunklen Ufer zarte Kelche,
erglühten Mädchen sanft im Schlaf,
aufblühten jene Scheuen, welche
der Leier Klang betörend traf.

Im stillen Hain glänzt mild ein Reh
und im Geäst steht schwarz der Bock.
Ein letztes Feuer fängt der See
und flammend winkt ein Rosenstock.

- 2 -

Die unschuldweißen Kelche tönen
von seinen Lippen mitgetragen.
Das dunkle Gaukelspiel des Schönen
läßt leichte Stunden schwer enttagen.

Verlockend flammt ein Farbenfangen,
der Rosen Du und Trunkenheit.
Lasur auf roten Pfirsichwangen
vorahnt den jähen Tod der Kindheit.

Der fremde Sänger niedersinkt,
von seinem Liebeslied veführt,
den blassen Kelchen zu und trinkt.
Den Frevel hat er spät verspürt.

In wilder Gier bricht er die Blüten
und würgt den schlanken Hals der Schwäne.
Die Nacht will schaudernd es verhüten
und senkt sich tief zu Schmerz und Träne.

- 3 -

Die zarten Kelche sind geknickt,
ihr Blut abtropft von müden Weiden.
Die Blütenlippen sind erstickt
und trinken sterbend Nacht und Leiden.

Die weiße Milch im Schwanenflaum
durchrinnt ein dünner Faden Rot.
Zerbrochen hängt der Flügelsaum,
aufflattert schwarz ein kalter Tod.

Der Sänger hebt den trüben Blick
von seiner stummen Hände Blatt.
Die Leier schweigt, es stirbt sein Glück.
Er taumelt fort - zurück zur Stadt.

Die Schönheit muss auch Gutes bergen,
sonst fehlt der Königin das Herz.
Sonst schickt sie ihre dunklen Schergen,
verführt und schenkt bloß Schmerz.
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