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Über nonverbale Kommunikation


Beziehungen und Kommunikation

Zwischenmenschliche Beziehungen haben immer etwas mit Kommunikation zu tun. Kommunikation bedeutet das Aussenden von bedeutungsvollen Signalen. Sprache ist zwar das Hauptmedium der menschlichen Kommunikation, doch viel ursprünglicher und unverfälschter sind oft die nonverbalen Anteile der Kommunikation. Jede Kommunikation hat nach Watzlawick einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt: Nicht nur das, was ausgesagt wird, hat eine Bedeutung, sondern auch die Art und Weise, wie etwas ausgedrückt wird (Tonfall, Mimik, Gestik, Körpersprache). Nonverbale Kommunikation definiert demnach die interpersonale Beziehung von Kommunikationspartnern, begleitet die verbale Kommunikation und ist zugleich Ausdruck der Persönlichkeit des Sprechers. Auf der Erkenntnis, dass jedes Verhalten einen Mitteilungscharakter hat und umgekehrt jede Wahrnehmung das eigene Verhalten steuert (sensomotorischer feed back), formulierte Paul Watzlawick das so genannte metakommunikative Axiom:

"Man kann nicht nicht kommunizieren !"


Nonverbale Kommunikation im Unterricht

Es können drei Grundfunktionen von unterrichtlicher Kommunikation unterschieden werden:

Im ersten Bereich geht es um Wissensvermittlung ("Amerika wurde 1492 entdeckt").
Der zweite Bereich befasst sich mit der Regelung von Prozessen ("Seid bitte ruhig").
Der dritte Bereich beinhaltet Beziehungsbotschaften ("Ich habe große Angst vor Dir").

Unterricht besteht aus vielfältigen Interaktionen und befasst sich mit Menschen in Entwicklung, wo Beziehungen, Gefühle, Selbstversicherung und Orientierung eine große Rolle spielen. Die Bedeutung von nonverbaler Kommunikation ist hier unmittelbar einsichtig.

Empirische Studien zeigen, dass Schüler sich am nonverbalen Verhalten des Lehrers orientieren. Steuerungsgesten der Lehrer werden von den Schülern leicht erkannt. Auch Lehrer sollten sich an den Signalen der Schüler orientieren: Verstehen, Interesse, Langeweile, Opposition, Ablehnung und Akzeptanz werden seitens der Schüler signalisiert. Die jeweilige Einschätzung des Zustandes des anderen erleichtert flüssige und situationsadäquate Kommunikation.


Kommunikationshygiene

Kommunikationshygiene ist das Bemühen um Kommunikation ohne vermeidbare Unverständlichkeiten oder Störungen. Sie hat besondere Bedeutung im Umgang mit Kindern, die im Stadium der Entwicklung sind. Emotionale Beziehungen zwischen Lehrern und Schülern sind für Wissenszuwachs, Haltungsbildung und Motivation im Unterricht bedeutsam. Wichtige Voraussetzungen zur Kommunikationshygiene sind:

Äußere Situation (setting): Schüleranzahl, Sitzordnung, Klassenraumgestaltung.
Sprachliche Voraussetzungen: Verständlichkeit, Kenntnis von Sprache und Schrift.
Nonverbale Bedingungen: Deutlichkeit der Signale, Konvergenz zum Gesprochenen.

In vielen empirischen Untersuchungen wurde festgestellt, dass bei divergenten verbalen und nonverbalen Äußerungen stets die nonverbalen als die zuverlässigeren angesehen werden. Aufgeschlossenheit bezüglich nonverbaler Signale stellt eine Komponente der sozialen Kompetenz dar und entwickelt sich mit zunehmendem Schulalter. Schüler sind auf die treffsichere Identifizierung und auf die Eindeutigkeit der kommunikativen Signale des Lehrers angewiesen.

In der Psychiatrie wird die Divergenz von verbalen und nonverbalen Botschaften, welche die Mutter ihrem Kind vermittelt, als "double bind" bezeichnet. Diese Situation wird mitverantwortlich für die Entstehung von schizophrenen Entwicklungen angesehen.


Kommunikation durch Berührung

Die nonverbale Kommunikation läuft auf verschiedenen Ebenen ab, je nachdem welche Sinnesrezeptoren beteiligt sind:

Visuelle Kommunikation (Bilder, Graphiken, Symbole, Schrift, Mimik, Gestik). Auditive Kommunikation: (Geräusche, Töne, Klänge, Melodien, usw.). Geruchliche und geschmackliche Kommunikation: (Starke emotionale Einfärbungen über geruchliche Wahrnehmung. In frühester Kindheit fallen Nahrungsaufnahme und Kommunikation zusammen). Thermische Kommunikation: (z.B. Hitze oder Schweiß als Kennzeichen von Emotionalität). Taktile Kommunikation: (unmittelbare Körperberührung vermittelt dem Kleinkind Sicherheit, Austausch von Zärtlichkeiten, Berührungsrituale wie Händeschütteln und Umarmung).

Berührung ist der unmittelbarste Kontakt zu einem Menschen verbunden mit größtmöglicher Nähe. Gleichzeitig ist dies aber auch der Bereich, in dem die größtmögliche Grenzüberschreitung stattfinden kann. Es ist daher, mit Respekt vor der menschlichen Würde, auch dem Bedürfnis nach Rückzug größte Bedeutung zuzumessen.

Berührung ist der wichtigste Kanal, um mit Menschen in Kontakt zu kommen:

(1) Man kann den Tastsinn als die Mutter der anderen Sinne bezeichnen, als die Mutter des Mundes, der Nase, der Ohren und der Augen. Wie das Nervensystem entwickelt sich die Haut beim Embryo aus dem Ektoderm, aus der äußersten Zellschicht. Das Nervensystem ist der nach innen vertiefte Teil der Haut, die Haut das nach außen gewendete Nervensystem.

(2) Schon von der sechsten Woche an entwickelt sich beim Embryo der Tastsinn als erster strukturell entwickelter Sinn. Kontakt und Berührung sind vom Beginn des menschlichen Lebens an orientierungs-bildende Erfahrungen, auf denen alle späteren Wahrnehmungen und Bewegungsprozesse aufbauen.

(3) Die wesentlichste Sinnesempfindung unseres Körpers ist die Berührung. Sie vermittelt uns das Wissen von Tiefe, Struktur und Form. Wir fühlen, wir lieben und hassen, sind empfindlich und empfinden durch die Tastkörperchen unserer Haut.

(4) Die Haut umhüllt uns vollkommen, ist das früheste und sensitivste unserer Organe, unser erstes Medium des Austausches und unser wirksamster Schutz. Sie kann auch zum Panzer werden. So sprechen wir entweder von "dünner Haut" oder von "dicker Haut".

(5) Berührung ist unser einziger "reziproker Sinn". Ich kann hören, ohne gehört zu werden, sehen ohne gesehen zu werden, schmecken, ohne geschmeckt zu werden, riechen, ohne gerochen zu werden. Aber man kann nicht berühren, ohne selbst berührt zu werden. Es ist immer ein wechselseitiges Geschehen. Ich nehme nicht nur wahr, sondern ich vermittle auch demjenigen, der mich berührt, Informationen über mich und mein augenblickliches Befinden.

(6) Die ursprüngliche Reihenfolge der Sinnesentwicklung beim Embryo (zu Beginn das Taktile über die anderen Sinne schließlich zum Visuellen hin) wird in unseren Kulturen durch die Sozialisation mit zunehmendem Alter auf den Kopf gestellt. Man denke nur an die faszinierende Sprache der bewegten Bilder in Video und Television, die unsere Kinder so sehr in Bann hält.

(7) Berührung ist mehr als physischer Kontakt zwischen zwei körperlichen Massen, und sie ist auch mehr als das Setzen von bestimmten Reizen, die mit automatischen Reaktionen beantwortet werden. Bewusste zwischenmenschliche Berührung zielt darauf ab, Kontakt als einen Schritt empathischer Verbundenheit zu gestalten. Berührung wird zwischen zwei Menschen ausgetauscht, ist Begegnung zweier Menschenwelten.

Kein Lebewesen kann auf Dauer ohne Berührung und Kontakt existieren. Behutsame zwischenmenschliche Berührung als nonverbales Kommunikationsmedium vermittelt von der Geburt bis zum Tod das Gefühl von Nähe, Geborgenheit und Anwesenheit. Sie beeinflusst entscheidend Wahrnehmungen, Gefühle, Gedanken, das Wohlbefinden und die Entwicklung gemeinsamer, spezifischer Sprachanbahnungen. Wegen ihrer enormen Bedeutung ist bei der Kommunikation durch Berührung in besonderem Maße auf Kommunikationshygiene zu achten.
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