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Chemie der Seele


(1) Die elektrische Signalübertragung zwischen zwei Nervenzellen (kurzzeitige Spannungsstöße) funktioniert nur, wenn die passenden Transmitter (chemischen Botenstoffe) an der Synapse (Kontaktstelle) vorhanden sind. Diese wirken auf die entsprechenden Rezeptormoleküle, welche dann Ionenkanäle in der Zellmembran öffnen, sodass eine Ionenverschiebung zwischen Zelleninnenraum und Zellenaussenraum stattfindet. Chemische Agonisten haben die gleiche Funktion wie Transmitter, Antagonisten hingegen blockieren die Rezeptoren ohne die Funktionalität der Transmitter zu entfalten (Wirkungsweise vieler Medikamente).

(2) Im stammesgeschichtlich alten Stammhirn (besonders im Zwischenhirn) unterhalb des Großhirns liegen jene Nervenzentren, die für die Entstehung von Trieb- und Gefühlserlebnissen verantwortlich sind. Nur wenn diese Neuronen elektrochemische Erregungen produzieren (feuern), was vom Vorhandensein der passenden Transmitter abhängt, werden Signale zur Rinde des Großhirns (Cortex) gesendet und dort die entsprechenden Inhalte bewusst erlebt. Als Beispiele seien drei Gefühle und drei Krankheiten angeführt.

(3) ANGST. Dieses Gefühl entsteht im Mandelkern (Amygdala) an der Basis des Großhirns. Therapie: Chemische Agonisten des schnell wirkenden und die synaptische Erregung hemmenden Transmitters GABA (Gamma-Amino-Buttersäure) bewirken eine Beruhigung (Sedativa).

(4) DEPRESSION. Diese krankhafte Gefühlsverstimmung beruht auf einem zu geringen Gehalt an Noradrenalin und Serotonin in den Synapsen bestimmter Hirnregionen. Therapie: Durch Hemmung des Enzyms Monoaminoxidase (MAO), welches die beiden Transmitter abbaut, wird der Noradrenalin- und Serotonin-Gehalt wieder erhöht und die Stimmungslage deutlich verbessert. MAO-Hemmer (Antidepressiva).

(5) LUST. Im Zwischenhirn ist eine Nervenregion lokalisiert, welche für die Entstehung von Lust- und Glücksgefühlen verantwortlich ist. Dabei spielen der Transmitter Dopamin und so genannte Endorphine bzw. Enkephaline (körpereigene Morphine) eine wichtige Rolle. Zu wenig Dopamin führt zum Anhedonismus (Unfähigkeit zum Lusterleben).

(6) SCHIZOPHRENIE. Bei schizophrenen Persönlichkeits-Störungen wird in gewissen Nervenregionen deutlich verstärkte Dopamin-Aktivität festgestellt. Therapie: Chemische Antagonisten von Dopamin, welche die Dopamin-Rezeptoren blockieren, bewirken eine Senkung der Dopaminaufnahme und eine Besserung des psychischen Zustandes. Nachteil: Die Reduktion der Dopaminrezeption durch solche Medikamente (Neuroleptika) bewirkt einerseits eine Anhedonie und andererseits Parkinson-ähnliche Erscheinungen.

(7) PARKINSON. Diese motorische Schüttellähmung entsteht durch die Degeneration von dopaminhaltigen Nervenzellen (Substantia nigra an der Basis des Großhirns), welche Kontroll- und Hemmimpulse auf das motorische System aussenden und damit die Motorik modulieren. Therapie: L-Dopa (eine chemische Vorstufe von Dopamin, welche die Blut-Hirn-Schranke durchdringt) mildert deutlich die Symptome.

(8) ALZHEIMER. Bei dieser Degenerationskrankheit (Gedächtnisstörungen, Desorientierung, motorische Fehlfunktionen) entstehen über das Protein ß-Amyloid vermehrt Ablagerungen (Plaques) in bestimmten Regionen der Hirnrinde, sodass diese nicht mehr richtig funktionieren. Auch wird dabei zuwenig Transmitter Acetylcholin gebildet, woduch die Signalübertragung an den Synapsen gestört ist und das Abrufen von Informationen verhindert wird. Therapie: Durch Hemmung des Enzyms Acetylcholin-Esterase, welches den Transmitter abbaut, steigt der Acetylcholingehalt an den Synapsen und eine bessere Signalübertragung ist möglich. So kann die Symptomatik zumindest abgeschwächt werden.

(9) SUCHTMITTEL. Suchtmittel (Beruhigungs-, Anregungs- und Halluzinations-Mittel) bewirken chemische Veränderungen in Nervenzellen, sodass sich deren Biochemie an diese Mittel gewöhnt (Neuroadaption). Um gleichstarke Wirkung zu erzielen, muss fortlaufend die Dosis erhöht werden (Toleranz). Bei Absetzen der Droge kommt es zu Entzugserscheinungen und oft zur Rückfälligkeit. Beispiel: Morphine erzeugen Glücksgefühle im Lustzentrum (hedonistische Wirkung) und hemmen die Erregungsübertragung in den schmerzleitenden afferenten Nerven (analgetische Wirkung).
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